Rue de Plaisir            


Ihr Leser dieser leichten Sachen,

Oh lacht nicht, wie die Seichten lachen!

Verachtet nicht die kecken Damen,

Die unter so viel Decken kamen.

Schlagt euch an die solennen Brüste,

denn auch in ihnen brennen Lüste!

Wie seid ihr doch voll Sündlichkeit,

selbst dann, wenn ihr noch kindlich seit!


Bereits in eueren Jugendtagen

wollt ihr nicht nach der Tugend jagen.

Wenn auch der Knabe sündenvoll

noch fragt, was er empfinden soll.

Die Mädchen woll`n schon Knaben haben,

und siehe da: sie haben Knaben!

Schon jede weiß, was Küsse sind-

was kann’s dafür, das süße Kind?


Was hilft das man die Maid verdrischt,

weil sie sich im Getreid vermischt?

Verbot verstärkt die Liebe häufig,

schon manche ward durch Hiebe läufig.

Je mehr man sie der Sünden zieh,

um desto mehr entzünden sie.

Kurz, ob solch früh bewährter Kleinen

muß selbst ein Aufgeklärter weinen.


Hingegen pflegt der Drang, zu lieben,

beim Knaben sich für lang zu trüben:

Erst pflegt er nur für Sport zu fühlen

und so den Sexus fortzuspülen.

Das Weib reizt ihn als Schwester mehr,

dann drücken die Semester schwer

und wenn sich auch Kommerse finden,

die manchmal in’s Perverse münden.


Bald wird, ob sich auch Händel ballten,

ein Ehweib ihn am Bändel halten

und ist auch dessen Liebe träge

als ob das Glück im Triebe läge!

Es wird halt sexuell geteilt

mit Mädchen in’s Hotel geeilt.

Denn der Besitz von blanken Scheinen

führt zum Besitz von schlanken Beinen.


Die die Moral in Akten packten,

grad die zieht’s zu kompakten Akten

und sogar Amtspedanten kamen

auf die Art zu pikanten Damen.

Sein Weib steht nicht mal rechtlich schlecht,

weil es sich meist geschlechtlich rächt.

Es wird sich seiner Lüste wegen

doch nicht grad in die Wüste legen!


Und er? Ach, Jahre schwinden sehr

und falln ihm erst die Sünden schwer

schon wird er der Moral sich weihn,

Er hält wie Parzival sich rein

und stirbt als Vorbild seiner Kinder

im Alter ist ja keiner Sünder!

Nur eins stimmt trüb: sein Weib will leider

nicht traurig sein. Ihr Leib will weiter.


Ja, Leser dieser leichten Sachen

das ist’s, worob die Seichten lachen.

Skandal ist an Skandal gereiht

du fragst, wo da Moral gedeiht?

Moral, wie Kants Verstand verrät,

ist das, was sich am Rand versteht!

So zeigt denn der Bericht, was schlecht ist;

du aber tue schlicht, was recht ist!


Oh Mensch, beachte dies und senke

den Blick in’s Buch. Besieh’s und denke!


Herrmann Mostar

Bon Jour, Tristan, mach leise - Vati hat nebenan auch noch Besuch!